Häss fess jejläuv, dat wer em Himmel op dich waat

BAP – Lanxess Arena, Cologne; June 2nd, 2018

Der Besuch eines BAP Konzerts, besonders der Besuch eines BAP Konzerts in Köln, ist immer ein bisschen so wie nach Hause kommen. Bekannte Hallen, bekannte Gesichter auf und vor der Bühne und vor allem bekannte Musik, immer wieder neu und anders und doch seit Jahren vertraut. Seit langem mal wieder ein Konzert ohne Sitzplätze, noch dazu am Samstag und bei Sommerwetter sprach für frühes Anstellen, also fand ich mich gegen 15.15 an der Halle an, wo zu meinem Erstaunen erst eine Handvoll Menschen versammelt waren. Die Tatsache dass innerhalb der nächsten zwei Stunden auch kaum jemand dazu kam veranlasste mich zu der Aussage “BAP Fans sind alt geworden”. Irgendwann in dieser Zeit schlug auch S. auf, aber sonst niemand, den ich kannte. Egal, die Anwesenden waren nett und wir unterhielten uns gut, anstatt, wie sonst mittlerweile leider üblich, auf unsere Handys zu starren. Pluspunkte für die BAP Fans!

Nach einem stressfreien Einlass (hach, das müsste immer so sein!), saßen wir in der ersten Reihe, quatschten weiter und sahen zu, wie sich die Halle füllte. Irgendwann aufstehen, durchatmen und schon mal den sehr schönen Bühnenaufbau bewundern. Pünktlich um 8 ging es mit Domglocken vom Band los und die Band betrat die Bühne. Mein erster Gedanke war “Moment mal, das ist nicht Werner da am Bass. Habe ich was verpasst?” Dann fing Wolfgang an zu singen und ich konnte es nicht fassen, dass ‘Drei Wünsch frei’ den Abend eröffnete. Noch kürzlich hatte ich gedacht, das ich das gerne mal wieder live hören würde. 😀 Es fing also gut an und ging dann mit ‘Waschsalon’ gleich so weiter, dass das Publikum gefordert war – yep, wir können immer noch mit den Armen “waschen”. Dann gleich der zweite Hammer und ein Song, den ich wirklich nicht erwartet hatte. ‘Psycho Rodeo’? Gibt’s ja nicht! Damit wusste ich schon, es wird ein toller Abend, sang aus vollem Halse mit und grinste alle Umstehenden an.

Irgendwann zwischendurch begrüßte Wolfgang uns und erklärte auch Werners Abwesenheit (“er hat Rücken”). Dafür sein Marius Goldhammer heute dabei. Darüber hinaus hatte die Band auch echte Neuzugänge – eine Bläsersektion bestehend Christoph Moschberger, Axel Müller und Johannes Goltz. Wolfgang erzählte, er habe sie bei ‘Sing meinen Song’ kennengelernt und gefragt, ob sie mit touren wollten. Gute Entscheidung. Sie ließen viele Songs in neuem Glanz erstrahlen, wie seit Jens’ Weggang nicht mehr. Das zeigte sich beim Intro von ‘Diss Naach ess alles drin’ und im Verlauf des Abends immer wieder.

Die ersten Tränen kamen bei ‘Reinrassije Strooßekööter’, vom Familienalbum, das ich noch gar nicht kenne, schon ganz am Anfang bei den Zeilen über die alte Kisten mit den Fotos. Über Familie habe ich viel nachgedacht in letzter Zeit, das passte gerade ganz genau. “He dat Leed ess für ming Ahne, minge Stamm…” Die Fotokiste wurde dann auch noch mal erwähnt, bei der Einleitung zum ‘Chippendale Desch’ und wir erfuhren, dass Wolfgang derjenige ist, der die Familienfotos sortiert. Da musste ich dann unweigerlich an meinen Vater denke, der bei uns der Chronist der Familie war. Dies aber ist die Geschichte von Wolfgangs Mutter und auch ihrer Lebensfreude. Er erzählte, wie sie in jeder Situation einen guten Spruch parat hatte. Im Gedächtnis blieb mir der für die, die sich über’s Altern beschweren: “Wer nicht alt sein will, muss halt jung sterben!” 🙂 Auch von den im Lied erwähnten Fotos sahen wir welche, als Projektion hinten auf die Bühnenleinwand. Danach dann das Lied zum Kölschen Mantra ‘Et ess wie et ess’.  🙂

Die Setliste was an diesem Abend genau das richtige für mich – eine bunte Mischung aus neuem und altem mit einigen schönen Überraschungen. und vielen leibgewonnenen Klassikern. ‘Bahnhofskino’ ist einer davon. Dieses Lied versursacht mir bis heute Gänsehaut und gehört zu meine absoluten Favoriten. Auf dem Familienalbum gelandet sei es wegen der ersten und vor allem der letzten Strophe, erklärte Wolfgang. Letztendlich geht es ja darum, dass man sich fragt, wie man seien Kinder in dieser Welt einigermaßen unbeschadet aufwachsen lassen kann und das ist heue nicht weniger aktuell als 1984.

Über ‘Jupp’ und ‘Frau ich freu mich’ kamen wir zu ‘Dausenden von Liebesleedern’ und so war es nur zu passend, das sich jetzt (“Wir dürfen sitzen, ihr nicht!”) der Block der “(Liebes)lieder) im Sitzen anschloss. Wie Wolfgang feststellte, kann man auch andere Lieder im Sitzen spielen und so gab es erstmal eines über die Kraft de Musik, dieser Songs, die uns schon so oft das Leben gerettet haben. Ja, ‘Songs sinn Dräume’ und  so viel mehr. Es folgte ‘Anna’, der erste (?) Teil der Liebeskummer-Trilogie. Wie schon den ganzen Abend, wurde auch dabei kräftig mitgesungen. Bekannt waren die Texte bei uns allemal, auch wenn ich den Eindruck hatte, das Publikum sei schon mal lauter gewesen. Vielleicht werde ich aber außer alt auch einfach langsam taub. 😉 ‘Wie schön dat wöhr’ wurde angekündigt als Auftragsarbeit und Wolfgang erzählte seine damals noch recht jungen Töchter hätte gefragt, ob es stimme, das Menschen Bomben auf Kinder werfen und ihm gesagt er solle etwa dagegen tun. Als Gast bat er dazu Björn Heuser auf die Bühne. De Liedermacher veranstaltet regelmäßig Mitsingen, unter anderem vor Heimspielen des Kölner FC. Auch hier klappte das prima. Zu guter Letzt in diesem Blick dann ‘Do kanns zaubre’, bei dem trotz Feuerwerksverbot sogar ein paar Wunderkerzen brannten. 🙂

Dann wurde mit ‘Frau ich freu mich’  wieder gerockt, denn auch dafür waren wir an diesem Abend gekommen. Die richtige Mischung zwischen ruhig und rockig hatten BAP schon immer gut drauf und sie funktionierte auch dieses Mal. Wir konnten klatschen, ein bisschen tanzen, manche auch wild rumspringen oder einfach nur zuhören. Für jeden Geschmack war etwas dabei und die menge an Geschichten und Geschichtchen passte auch. 🙂 Bei ‘Dylan’s ‘You ain’t goin nowhere’ wurde die Moderationscrew vom ARD-Morgenmagazin, Susan Link, Peter Großmann und Sven Lorig, auf die Bühne gebeten und unterstützten tatkräftig in drei Sprachen. Dabei hatten alle Beteiligten Spaß.

Zum Ende des Sets wurde es dann ernster und nachdenklicher, mit ‘Aburdistan’, ‘Vision von Europa’, ‘Kristallnaach’ und schließlich ‘Arsch huh, Zäng ussenander’. Für mich war und ist dies ein wichtiger Teil von BAP. Sie wären nicht die Band die ich mag, wenn sie nicht aussprechen würden, wo es brennt, uns erinnern würden, was so alles falsch läuft und immer wieder aufforderten, etwas dagegen tun. Seit ich diese Band kenne, sprechen sie mir aus der Seele, damals wie heute und das ist auch gut so. Nach diesem Block von Power Songs verließen sie zum ersten Mal die Bühne, aber es wussten alle, dass es das noch lange nicht war.

Bei der Rückkehr wurden wir alle zum Schnipsen angehalten. Das konnte nur ‘Ruut-wieß-blau-querjestriefte Frau’ bedeuten, auch da waren die Leute im Saal textsicher und mancher hielt sogar die Schnipserei bis zum Ende durch. 😀 Alles klang frisch an diesem Abend und nach ‘Nix wie bessher’ kam die Abteilung “Wo haben sie das dann ausgegraben und warum” als das weniger bekannte ‘Jebootsdaachspogo’ dargeboten wurde. Wie ich im Nachhinein feststellte, ist es allerdings nicht nur eine etwas obskure B-Seite, sondern auf dem neuen Album auch zu finden (Nein, ich habe es bisher nicht gekauft.) – das erklärte dann auch, warum so viele den Text kannten. Wie dem auch sei, es was für mich eine Überraschung. Zum Schluss noch ‘Aff un zo’ und dann hieß es lautstark Zugaben fordern.

“Zum Schluss möchte ich zwei Lieder für meinen Vater” spielen, sprach Wolfgang und damit waren bei mir die Tränen wieder da. ‘Suwiesu’ war einfach schön und ‘Verdamp lang her’ brachte meine ganz eigenen Erinnerungen. Natürlich konnte es nicht anders sein, als dass mich ein Lied über Wolfgangs Vater an die letzten Gespräche mit meinem gerade verstorbenen Vater erinnerte. Da er seine Wurzeln im Rheinland hatte, fühlte ich mich über BAP sowieso mit ihm verbunden. Et ess wie et ess und weinen tat gut. :’) Als aller letztes dann ‘Jraaduss’, schön gesungen im Chor and genau das richtige, um uns nach Hause zu entlassen. 🙂

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Setliste

Drei Wünsch frei
Waschsalon
Psycho Rodeo
Diss Naach ess alles drin
Reinrassije Strooßekööter
Chippendale Desch
Et ess wie et ess
Bahnhofskino
Jupp
Frau, ich freu mich
Dausende vun Liebesleeder
Songs sinn Dräume
Anna
Wie schön dat wöhr (mit Björn Heuser)
Do kanns zaubre
Nemm mich met
You ain’t goin’ nowhere (mit Susan Link, Peter Großmann und Sven Lorig)
Absurdistan
Vision vun Europa
Kristallnaach
Arsch huh, Zäng ussenander

Ruut-wieß-blau-quergestriefte Frau
Nix wie bessher
Jebootsdaachspogo
Aff un zo

Suwiesu
Verdamp lang her
Jraaduss

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