Et jitt Minsche, die verjisste nie

BAP – RuhrCongress, Bochum; November 22nd, 2024

Lange hing die Karte für das BAP-Zeitreise Konzert in Bochum an meiner Pinnwand. So lange, dass ich mich kaum erinnern konnte, wann ich sie gekauft hatte. Als es endlich soweit war, war ich gar nicht in der Stimmung, aber bin natürlich hingegangen und war am Ende des Abends sehr froh darüber. Es was ein schöner Abend, bei dem wir es irgendwie tatsächlich schafften, 40 Jahre zurück zu reisen oder uns zumindest fr 3 Stunden beinahe so fühlten. So ungefähr hatte ich mir das erhofft.

Zuletzt hatte ich BAP im März vor 2 Jahren gesehen, auf einer durch Corona verschobenen Tour und mit Maske. Es war schön gewesen und doch hatte ich danach irgendwie kein Bedürfnis, die Band bald wieder zu sehen. Als es dann Karten für die diesjährige Tour gab, wusste ich nicht, ob und wann ich Zeit haben würde, bestellte vorsichtig Karten für 2 Konzerte und verkaufte eine davon wieder. Eins musste reichen.

Am Vortag des Konzerts stellte ich erfreut fest, dass es schon um 19:00 Uhr anfangen sollte und dachte “Hey cool, dann komme ich vor Mitternacht nach Hause.” Bei der Ankunft am RuhrCongress fielen mir 2 Dinge auf: 1. Das Publikum ist alt geworden (ich auch) – ich habe niemanden unter 40 gesehen. 2. Keine bekannten Gesichter. Letzteres stimmte nicht, ich traf drinnen dann noch G., aber junge Menschen sah ich nicht. Wir sind alle mit der BAnd alt geworden und so waren Sitzplätze dann auch eine gute Idee.

Um kurz nach 7 spazierte die Band auf die Bühne und begann mit einer wirklich schönen Version vor ‘Koot für Aach’ mit Klavier und Bläsern als Einstieg. Hatten sie das auf meinem allerersten Konzert gespielt? Möglich, aber ich weiss es nicht mehr. Einen passenderen Anfang hätte es jedenfalls nicht geben können. Schon bei ‘Südstadt, verzäll nix’ merkte ich, dass ich die alten Alben viel zu lange nicht gehört habe, d.h. es dauerte ein bißchen, bevor ich das Lied erkannte. Das tat meiner guten Laune aber keinen Abbruch. Es war toll, die alten Stücke mal (wieder) live zu hören.

Nun folgte die Begrüßung und Wolfgang fragte, wie es uns ginge. Gut natürlich! Er witzelte darüber, dass man ja nicht jünger würde und stehen oder sitzen freiwillig sei. Es sähe wohl von der Bühne toll aus, wenn die Menschen in Wellenbewegungen aufstehen und sich wieder setzen. Er gab eine Story zum besten, wie sie vor Jahren (so 1981) schneebedingt viel zu spät in der Zeche in Bochum ankamen und das Publikum schon in der Halle. Dieses half dann beim Bühnenaufbau und danach wurde gerockt. Es war sogar eine Person anwesend, die das bezeugen konnten. Definitiv vor meiner Zeit. 😉

Wolfgang sprach dann von der letzten Tour und davon wie dort, immer wenn alte Songs gespielt wurden, die Augen der Publikums anfingen zu leuchten und alle plötzlich viel jünger wirkten. Danach beschloß die Band eine Tour zu machen, bei der ‘vun drinner noh drusse’ und ‘für usszeschnigge’ komplettt gespielt werden und kein Song jünger sein darf als 40 Jahre. Es gäbe auch keine Pause oder Zugabe, sondern “Wir spielen das in erwachsener Form die 30 Songs durch.” Vieles habe sich verändert seit damals auch manche Ansichten. dennoch sollten die Stücke so gespielt werden wie damals. “Seit ihr bereit? Wir nehmen euch auf die Zeitreise mit.”

Mit ‘Nemm mich mit’ standen dann auch tatsächlich alle auf und es wurde gerockt. Klangen die Songs noch exact wie damals? Nein, aber darauf kam es ja auch gar nicht an. Der Saal rockte und das ging mit ‘Wo mer endlich Sommer hann’ auch direkt so weiter, inklusive eines Auftritts von “Helmut Kohl” an der Posaune, d.h. Fraz Johannes Goltz mit entsprechender Maske. Bei ‘Waschsalon wurden natürlich die Hände in Wischbewegungen geschwenkt und für die dazugehörige Story kannten wir uns dann erstmal wieder setzen. 😉 So erfuhren wir dann, wie Wolfgang vor einem Urlaub in den Niederlanden, von seiner damaligen Freundin in einen Waschsalon geschleift wurde, und nur staunte, dass sie die Maschinen bedienen konnte. Ich kam dann doch nicht umhin zu denken “na hoffentlich hat er das inzwischen gelernt”.

Da er Angst hatte, Waschsalon könnte nach anbiedern an Karneval klingen, schrieb er gleich noch ‘Ens im Vertrauen’ hinterher, dass dann auch in dieser Form glatt in ein Bierzelt gepasst hätte und wirklich Spaß machte – es gab sogar ein Kazoo Solo und alle Bläser marschierten quer über die Bühne. Im Anschluß wurde es dann richtig karnevalistisch mit ‘Nit für Kooche’, inklusive Schunkeln und Kanevalsmützen auf der Bühne und im Publikum. Wer jetzt nicht grinsen musste der tat es auch an dem Abend nicht mehr! Dann erfuhren wir, dass Karneval gar nicht mehr so schlimm sein, es gäbe ja die Stunksitzung und außerdem fänden seine Frau und Töchter Karneval gut, weil sie da tanzen gehen könnten, also nichts mehr mit wegfahren.

Eine Karnevalsflucht nach Sardinien führte zu einem Foto einer Plastikvase an der Autobahn und damit zu ‘Ahn ‘ner Leitplank’. Das traurige Stück dämpfte meine Stimmung ein wenig, klang aber wirklich toll, besonders Ulrich an der Gitarre. Mitsingen, oder vielmehr, alles außer den ersten Worten alleine singen, war bei ‘Wellenreiter’ angesagt und mal wieder war ich raus, weil ich mich nicht an den Text erinnern konnte. Mein Umfeld aber schon. 😀 “Sensationell!” lobte Wolfgang. Dann erzählte er von der ersten Plattenfirma, die einen Auftritt auf der Gegenbuchmesse in Frankfurt organisierte, wo der Saal im ersten Stock war und ihr gesamtes Equipment hochschleppen mussten. Das ganze wurde kommentiert mit “Ich glaube ein Kofferverstärker hätt’s ja wohl auch getan”. Dat wor er – der ‘Müsli Man’. Sehr cool, mit Klarinette. Anne spielt ja wirklich alles.

Wir erfuhren, dass anläßliche des 40jährigen Jubiläums der Anti NATO-Doppelbeschluss demo in Bonn, Wolfgang ein Interview mit der FR gemacht hatte. Dort kam die Frage auf, ob sie denn ‘Zehnter Juni’ noch einmal spielen würden. Seitdem habe er sich überlegt, dass es ja gut passen würde für die jungen Leute, die in Russland als Kanonenfutter eingezogen werden sollten und daraufhin das Land verließen. Aus Sicht eines diese Russischen Deserteuere stimme jedes Wort – “plant mich bloss net bei üsch inn”. Ich habe mich auf jeden Fall gehört, gerade dieses Stück zu hören. Auch wenn sich meine Einstellung zum Pazifismus inzwischen geändert hat, war es damals eins meiner Lieblingsstücke. Es folgte ein weiterer Song, den ich seit Ewigkeiten nicht gehört hatte, ‘Wenn et bedde sich lohne däät’. Auch immer en Favorit und, wie bei den meisten alten Lieblingen, hatte ich keine Probleme, mich an den Text zu erinnern.

‘Kristallnaach’ war uns ist nach wie vor fantastisch und leider auch nach wie vor aktuell. Wie Wolfgang sagte “Ich hätte nichts dagegen, wenn diese Nummer irgendwann einmal unaktuell würde!” Same. Danach durften er und einige andere Bandmitlieder sich auch mal setzen, denn es folgte das, was bei anderen Konzerten als der “Liebeslieder im Sitzen”- Teil bekannt ist. Diesmal war es generell “ruhige Lieder im Sitzen”, was auch toll ist. Den Anfang machte ‘Fuhl am Strand’, ein Song, der sonst immer aus dem Programm gefallen war, weil er “den Betrieb aufhält”, aber er ist eben auf dem ‘für usszeschnigge’ Album ist. Geschrieben wurde der Song in Griechenland, wo ein Tag am Strand zu ganz viel “Gedankendomino” führte. Ich hatte das Stück, ehrlich gesagt vergessen, aber als ich es hörte, fiel mir ein, dass ich es immer sehr gemocht hatte und es war so schön gespielt, das es mir sogar die Tränen in die Augen trieb. <3

Es folgte ein bißchen Erinnern an Familienalben, als diese noch nicht in der Cloud waren und dann natürlich ‘Weisste noch?’.Auch das wirklich schön! Ich konnte die Foos vor mir sehen. Mit ‘Eins für Carmen un en Insel’ folgte ein weiteres “Griechenland Stück”(war der Mann nie woanders im Urlaub? ;)) Mit der ‘Ruut-wieß-blau querjestriefte Frau’ gab es dann viel Fingerschnippen und Wolfgang schwor, dass sich die Geschichte in ihrer Stammkneipe quasi fast genauso zugetragen hatte. 😉 Es machte auf jeden Fall Spaß. ‘Jupp’, das letzte Stück im Sitzen., war toll gespielt, aber es stößt mir nach wie vor sauer auf, dass dort immer noch das N-Wort verwendet wird, obwohl es leicht zu ändern wäre. Das muß einfach nicht sein.

Zu ‘Ne Schöne Jrooß’ wurde dann wieder voll abgerockt und das Publikum stand endlich wieder. Das fühlte sich wirklich wie früher an! Bei ‘Verdamp lang her’ mußte ich wieder weinen und das ist gut so. Ich bin mir nicht so sicher, ob mein Papa dran geglaubt hat, dass “Wer im Himmel op dich waat”, aber gegönnt habe ich im das auf jeden Fall. I miss you dad! Es folgten weiter Kracher und Favoriten mit ‘Frau ich freu mich’ und natürlich ‘Do kanns zaubere’. Statt Wunderkerzen ga es Handy-Lichter, aber auch das sieht toll aus.

Der “Frauenname mit 4 Bustaben” durfte natürlich auch nicht fehlen. ‘Anna’ war nie eins meiner Lieblingsstücke, aber auf Konzerten fand ich es immer toll. Daran hat sich auch nichts geändert. Das große Mitsingen kam mit ‘Jraaduss’ – “Das ist das ultimative Abschiedslied, was aber nicht heißt, dass wir jetzt gehen würden”. Natürlich jitt et im Kölsche kein G und das klappte wunderbar. Auf jeden Fall ein Highlight.

Wolfgang sprach über Lieder, die man einmal hört und danach war nix mehr wie bessher. So kam er dann auch irgendwann auf Dylan und wir bekamen ‘Wie ‘ne Steen’ zu hören. 🙂 Da wir grade bei Cover Songs waren, ging es mit ‘Hurricane/ Stell dir vüür’ weiter und es war nur genial. Dann natürlich noch ‘Wahnsinn’ (“Unser kleiner Radio-Hit. Der lief schon mal im Radio, mindestens einmal. :D) und zu guter letzt ‘Häng de Fahn eruss’. Hach. Inzwischen waren wir “Alle 40 Jahre jünger” geworden.

Zum Ende noch ein besonderes Schmankerl, das geschrieben wurde, lange bevor es Touren durch ganz Deutschland gab. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich ‘Et letzte Leed’ live hören würde. 🙂 Es war der perfekte Abschluss. Dabei wurde die Band vorgestellt und anschließend verabschiedet. Wolfgang blieb, denn er wußte, wir würden sowieso nicht gehen. Also gab es noch ‘Helfe kann dir keiner’ als letzte Zugabe. “Es war schön, ich jonn!” Danke, BAP, besser hätte der Abend nicht sein können.

Setlist

Koot vüür Aach
Südstadt, verzäll nix
Nemm mich met
Wo mer endlich Sommer hann
Waschsalon
Ens em Vertraue
Nit für Kooche, Teil 1
Nit für Kooche, Teil 2
Ahn ‘ner Leitplank
Wellenreiter
Müsli Män
Zehnter Juni
Wenn et Bedde sich lohne däät
Kristallnaach
Fuhl ahm Strand
Weisste noch?
Eins für Carmen un en Insel
Ruut-wieß-blau querjestriefte Frau
Jupp
Ne schöne Jrooß
Verdamp lang her
Frau, ich freu mich
Do kanns zaubere
Anna
Jraaduss
Wie ‘ne Stein
Hurricane / Stell dir vüür
Wahnsinn
Häng de Fahn eruss
Et letzte Leed
Helfe kann dir keiner

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